Daniela Di Grazia

Ein Sympathieträger im Waldgottesdienst

PHOTO-2023-08-20-15-30-02 (Foto: Lukas Weinhold)

Weit breitet er seine Schwingen aus. Der stromlinienförmige Flug wird von seinem zottigen, in die Jahre gekommenen Gefieder zwar ausgebremst. Die vielen Menschen, die am vergangenen Sonntagmorgen den Waldgottesdienst im Ebenholz besuchen, staunen trotzdem über den ein paar Meter über Boden angeseilten konservierten Storch. Die harmonischen Klänge des Musikvereins Alpenrösli verhelfen zu einem feierlichen Morgen voller Abwechslung.
Susanne Kalberer,
Wo der Storch ist, sind auch die Kinder nicht weit. So bringen die Familien Amanda Lanfranchi und Stefan Liechti sowie Sven und Nadine Wielander-Baumann ihre Töchter zur Taufe. Bestimmt fliegen Maja Sabrina und Malina im Stillen ein paar Herzen zu, wie sie da in ihren Tüllröckli – Engelchen ähnlich – ihre Pausbacken-Gesichtchen stille halten, um dreimal Wasser auf ihre runden Stirnen zu erhalten: «Auf den Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen».

«Storcheneltern» vor Ort

Doch woher hat der Volksmund die Redensart, der Storch bringe die Kinder? Aufschluss über diese und weitere Fragen gibt das Interview mit dem Ehepaar Margrith und Peter Enggist von der Storchengesellschaft Schweiz. Der in Wängi nistende Storch kommt ursprünglich aus dem Kanton Schaffhausen und ist 2014 zusammen mit drei weiteren Geschwistern geboren. Hierzulande überleben in einer durchschnittlichen Brut von vier bis sechs Eiern meist nur zwei bis drei Storchenbibeli. Trotzdem biete die Schweiz mit ihren abwechslungsreichen landwirtschaftlichen Nutzflächen einen guten Lebensraum für die Störche: sie finden auf kurz geschnittenen Wiesen oder abgeernteten Feldern einen reich gedeckten Tisch mit Mäusen, Käfern und Würmern. Der Storch ist den Menschen schon lange sympathisch. So erläutert Pfarrer Lukas Weinhold, dass in der Bibel das hebräische Wort für den stelzenden Freund mit «Treue, Zuverlässigkeit und Barmherzigkeit» übersetzt werden könne – Zuschreibungen, die auch Gott gemacht werden.

Lieber im Frühling

Am Ende der Feier sind besonders die 3. Klässlerinnen und -Klässler angesprochen. Für sie beginnt ab diesem Schuljahr der reguläre Religionsunterricht. Zusammen mit allen anwesenden Kindern – sie konnten sich zwischendurch in einem von Jugendarbeiter Sam Schweingruber organisierten Gruppenspiel austoben - werden sie für ihre Schulzeit gesegnet.
Bleibt, die Redensart des kinderbringenden Storches zu klären: In früheren Zeiten waren viele Frauen als Bäuerinnen tätig und in den Sommermonaten mit Heuet und Ernte hohen körperlichen Strapazen ausgesetzt. Im Winter dagegen gab es für die Frauen ruhigere Zeiten, idealer, um werdendem Leben gute Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Viele Bauernfamilien richteten deshalb ihre Familienplanung danach. Entsprechend kamen dann viele Bébés im Frühling zur Welt, zur gleichen Zeit, da auch der Storch nach Europa zurückkehrte.
Bereitgestellt: 21.08.2023      
aktualisiert mit kirchenweb.ch